Rechtliche Auswirkungen
Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer in Deutschland vom Ausland aus arbeiten möchte, stellt sich die Frage, welches Arbeitsrecht zur Anwendung kommt. Für Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union ist insoweit die Rom-I-Verordnung (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 593/2008) maßgeblich.
Nach der Rom-I-Verordnung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich einvernehmlich das auf ihr Vertragsverhältnis anwendbare Recht bestimmen (Rechtswahl). So kann vereinbart werden, dass weiterhin deutsches Recht gilt, wenn der Arbeitnehmer vom Ausland aus tätig wird.
Trotz der Rechtswahl können jedoch bestimmte, für den Arbeitnehmer vorteilhafte Bestimmungen des jeweiligen lokalen Arbeitsrechts zwingend auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sein. Denn nach der Rom-I-Verordnung darf die Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, den zwingende Vorschriften des Rechts des Staates gewähren, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich arbeitet, um die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen. Ist ein Arbeitnehmer also überwiegend vom Ausland aus für einen deutschen Arbeitgeber tätig, so ist auf das Arbeitsverhältnis grundsätzlich deutsches Recht anwendbar, wenn die Parteien eine entsprechende Rechtswahl getroffen haben. Allerdings sind arbeitnehmerschützende Bestimmungen des lokalen Rechts, die nicht durch Vereinbarung geändert werden können und die für den Arbeitnehmer günstiger sind als die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Rechts, zwingend anzuwenden. Damit ist es möglich, dass auf ein Arbeitsverhältnis sowohl deutsche als auch lokale Regelungen anwendbar sind, und es besteht die generelle Gefahr, dass z. B. der Kündigungsschutz des lokalen Rechts (bzw. eines bestimmten Teils dieses Rechts) anzuwenden ist – wenn dieses Recht für den Arbeitnehmer günstiger ist als das entsprechende deutsche Recht.
Ein vom Ausland aus tätiger Arbeitnehmer kann grundsätzlich auch im Ausland gegen den deutschen Arbeitgeber klagen. Insbesondere kann der Arbeitnehmer nach der Brüssel-Ia-Verordnung (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 1215/2012) den deutschen Arbeitgeber vor dem zuständigen Gericht des jeweiligen Mitgliedstaates der Europäischen Union verklagen, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich tätig wird, um die vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens im jeweiligen Mitgliedstaat der Europäischen Union kann nur durch eine wirksame internationale Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen werden, die der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber nach Entstehen der Streitigkeit abschließen müssen.
In Ermangelung einer Rechtswahl bestimmt sich das anwendbare Arbeitsrecht nach objektiven Kriterien, wie sie in der Rom-I-Verordnung festgelegt sind. Danach ist in erster Linie das Recht des Staates anzuwenden, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich arbeitet, um den Arbeitsvertrag zu erfüllen.
Implikationen bezüglich Steuern und Sozialabgaben
Der Arbeitgeber sollte unbedingt die Rechtslage in Bezug auf Sozialversicherung und Steuern prüfen, bevor er dem Antrag eines Arbeitnehmers, vom Ausland aus zu arbeiten, stattgibt.
Für die Sozialversicherung ist in der Regel der tatsächliche Beschäftigungsort ausschlaggebend, um das anwendbare Recht zu bestimmen. Das bedeutet, dass Fernarbeit aus dem Ausland heraus das Risiko birgt, dass deutsches Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar ist.
Für eine Beschäftigung innerhalb der Europäischen Union sind für Deutschland die Bestimmungen der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 883/2004) maßgeblich. Insbesondere unterliegt ein EU-Bürger, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union arbeitet, dem Sozialversicherungsrecht des jeweiligen Beschäftigungsstaates.
Ausnahmen sind jedoch nach den Bestimmungen der vorgenannten Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit möglich. Übt ein Arbeitnehmer die Tätigkeit für einen deutschen Arbeitgeber gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus, so ist das Sozialversicherungsrecht des Wohnsitzstaates anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil der Tätigkeit in diesem Staat ausübt. So findet deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer, der regelmäßig vom Ausland aus arbeitet, (noch) in Deutschland wohnt und einen wesentlichen Teil der Tätigkeit in Deutschland ausübt. Nach den Regelungen der Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 987/2009) ist für die Ausübung eines wesentlichen Teils der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich erforderlich, dass mindestens 25 Prozent der Tätigkeit in diesem Land ausgeübt werden.
Außerhalb des Anwendungsbereichs der vorgenannten europäischen Verordnungen ist zu prüfen, ob zwischen dem Staat, von dem aus der Arbeitnehmer zu arbeiten wünscht, und der Bundesrepublik Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen besteht. Ist dies der Fall, so ist das anwendbare Recht nach den Bestimmungen dieses Sozialversicherungsabkommens zu bestimmen. Besteht kein Sozialversicherungsabkommen, ist das deutsche Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar, wenn der Arbeitnehmer vom Ausland aus arbeitet und überhaupt nicht in Deutschland tätig ist.
Während für das anwendbare Sozialversicherungsrecht in der Regel der Arbeitsort das maßgebliche Kriterium ist, ist für das anwendbare Lohnsteuerrecht der Wohnort relevant.
Nach deutschem Steuerrecht sind natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, in Deutschland einkommensteuerpflichtig. Wenn also ein Arbeitnehmer ausschließlich vom Ausland aus arbeitet und keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, ist er in Deutschland nicht lohnsteuerpflichtig.
Ist der Arbeitnehmer jedoch zum Teil im Ausland und zum Teil in Deutschland tätig und in einem der beiden Staaten ansässig, kann dieser Arbeitnehmer nach deutschem Steuerrecht beschränkt einkommensteuerpflichtig sein, d. h. nur mit dem Entgelt für die tatsächlich in Deutschland ausgeübte Tätigkeit. Grundlegend ist in einem solchen Fall zu ermitteln, welcher Staat das Besteuerungsrecht (ggf. auch teilweise) nach den Regeln des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem anderen Staat (sofern vorhanden) hat.
Schließlich besteht für das deutsche Unternehmen generell das Risiko, dass durch das Arbeiten aus dem Ausland heraus eine Betriebsstätte für steuerliche Zwecke in dem ausländischen Staat begründet wird. Insbesondere kann ein vom Ausland aus tätiger Arbeitnehmer nach den Regeln des ausländischen Staates als ständiger Vertreter angesehen werden. Besteht zwischen Deutschland und dem anderen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen, gelten die darin enthaltenen Definitionen der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters. Ein ständiger Vertreter liegt nach den Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel dann vor, wenn der Arbeitnehmer bei der Ausübung der Tätigkeit für das Unternehmen im Ausland regelmäßig Verträge für das Unternehmen abschließt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird das Unternehmen nach dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen in der Regel so behandelt, als hätte es für alle Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer für das Unternehmen in diesem Land ausübt, eine Betriebsstätte in dem jeweiligen Land. Dies hat zur Folge, dass die dem ständigen Vertreter zuzuordnenden Gewinne in der ausländischen Jurisdiktion der Besteuerung unterworfen werden. Falls die deutschen Steuerbehörden das Bestehen einer Betriebsstätte des deutschen Unternehmens im Ausland nicht anerkennen, ist außerdem mit einer Doppelbesteuerung der dem ständigen Vertreter zuzuordnenden Gewinne zu rechnen.
Implikationen bezüglich Einwanderung
Jeder EU-Bürger hat das Recht, sich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein, Norwegen) und in der Schweiz ohne weitere Voraussetzungen aufzuhalten und dort zu arbeiten (Arbeitnehmerfreizügigkeit). Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer, der EU-Bürger ist, für einen deutschen Arbeitgeber vom Ausland aus in dem vorbeschriebenen Gebiet ohne weitere einwanderungsrechtliche Voraussetzungen arbeiten kann.
Für Fernarbeit von außerhalb des vorbeschriebenen Gebiets ist es für den deutschen Arbeitgeber unerlässlich, die rechtliche Situation in Bezug auf die Einwanderungsbestimmungen zu prüfen und insbesondere festzustellen, ob ein Einreisevisum erforderlich ist und wie es erlangt werden kann und ob ein Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis erforderlich sind und wie sie erlangt werden können.
Sonstige Überlegungen
Nach neuer Gesetzgebung in Deutschland muss der Betriebsrat (sofern vorhanden) grundsätzlich beteiligt werden, wenn ein Unternehmen Richtlinien zur Fern- und Telearbeit einführen will. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beziehen sich nur auf den Inhalt von Richtlinien zur Fern- und Telearbeit. Der Betriebsrat hat kein Initiativrecht, ob Richtlinien zur Fern- und Telearbeit eingeführt werden sollen oder nicht. Der Betriebsrat kann also den
Arbeitgeber nicht zwingen, Richtlinien zur Fern- und Telearbeit im Unternehmen einzuführen. Die Entscheidung, ob Richtlinien zur Fern- und Telearbeit eingeführt werden oder nicht, trifft allein der Arbeitgeber.“