Spiegelinterview vom 25.03.2022 mit Rechtsanwalt Jens Niehl zum Thema „Wie offen darf ich am Arbeitsplatz meine politische Meinung vertreten?“

Immer wieder führen politische Auseinandersetzungen zu Problemen im Arbeitsverhältnis. Jüngster Fall: Ein Barkeeper in einem Luxusrestaurant in Baden-Baden hatte sich in einem Instagram-Video über die russische Invasion in die Ukraine und pauschal über Russen geäußert – und dafür eine Kündigung kassiert.

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BAG: Betriebsratswahl unwirksam – unzulässige Briefwahl für „weit entfernte“ Betriebsteile.

 Am 16.03.2022 hat das BAG in seiner Pressemitteilung den Tenor einer interessanten Entscheidung im Hinblick auf die Durchführung von Betriebsratswahlen in der Form von Briefwahlen veröffentlicht. 

Eine Betriebsratswahl ist gem. § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. § 24 der Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes WO regelt, in welchen Fällen der Wahlvorstand Briefwahl zuzulassen hat. Entspricht die Wahl nicht den Anforderungen des § 24 WO, kann die Wahl angefochten werden und letztlich zur Unwirksamkeit führen. 

  • In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um eine Betriebsratswahl in einem am Standort Hannover betriebenen Werk der Volkswagen AG. Bei der im April 2018 durchgeführten Betriebsratswahl hat der Wahlvorstand für die Arbeitnehmer•innen sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegenden Betriebsstätten die schriftliche Stimmabgabe beschlossen. 
  • Drei dieser Betriebsstätten befinden sich unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. 
  • Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurde die Wahl durch neun wahlberechtigte Arbeitnehmer•innen mit der Begründung angefochten, die Briefwahl habe nicht für sämtliche außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsstätten beschlossen werden dürfen. 

Das BAG hat mit Hinweis auf § 24 Abs. 3 WO ausgeführt, dass der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe nur für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen kann. Von einer räumlich weiten Entfernung kann aber nicht die Rede sein, wenn sich die Betriebsteile angrenzend an das Werksgelände befinden. 

Generell gilt: Die Briefwahl ist nach der Systematik der WO eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. Der Grundsatz ist, dass die Stimmabgabe durch persönliche Abgabe der Stimmzettel erfolgt. Bei der Präsenzwahl können Wahlmanipulationen wesentlich besser ausgeschlossen werden. 

Die Briefwahl ist bei Betriebsratswahlen gem. § 24 WO nur in folgenden „Ausnahmefällen“ möglich: 

Bei einer Abwesenheit vom Betrieb – Hier werden drei Fälle unterschieden: 

  • Abwesenheit aus „persönlichen“ Gründen: Bei einer Abwesenheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer•innen vom Betrieb bspw. Urlaub. Hier ist die Briefwahl entsprechend § 24 Abs. 1 WO nur auf Verlangen des Arbeitnehmers möglich. 
  • Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie 
  1. im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte, oder 
  2. vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl aus anderen Gründen, insbesondere bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit, voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden. 

    Von dieser Regelung umfasst sind beispielsweise auch Personen, die sich in Elternzeit befinden. 
  • Räumlich entfernter Betriebsteil oder Kleinstbetrieb: 

Der Wahlvorstand kann die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) für Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen, wenn diese räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, jedoch betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb gehören. 

Für die räumlich weite Entfernung ist darauf abzustellen, ob bei ordnungsgemäßer Durchführung der Betriebsratswahl für den Betriebsteil oder Kleinstbetrieb ein eigenes Wahllokal einzurichten wäre, um den dort beschäftigten Arbeitnehmer•innen in zumutbarer 

Weise die Möglichkeit zu geben, ihre Stimme persönlich abzugeben. Wenn dies der Fall ist, kann ein solches Wahllokal durch die schriftliche Stimmabgabe ersetzt werden. 

Bei den derzeit stattfindenden Betriebsratswahlen tendieren viele Wahlvorstände dazu, wegen Corona „großzügig“ die Briefwahl zuzulassen. Angesichts der Entscheidung des BAG sollten Wahlvorstände stets die Voraussetzungen für die Zulassung der Briefwahl gewissenhaft prüfen. 

Kein Mindestlohn für studentisches Pflichtpraktikum

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat aktuell entschieden, dass angehende Studenten, die ein Pflichtpraktikum zur Aufnahme eines Studiums zu absolvieren haben, keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Der gesetzliche Mindestlohn lag bei Einführung 2015 bei 8,50 Euro und ist seit dem auf aktuell 9,82 Euro brutto gestiegen.


Der Fall:

Konkret hatte eine angehende Ärztin, die sich an einer Privatuniversität um einen Studienplatz im Fach Medizin beworben hatte, eine Klinik, in der sie für sechs Monate in der Pflege tätig war, auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verklagt.

Nach der Studienordnung war u.a. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Die Zahlung einer Vergütung war zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht vereinbart.


BAG: Kein Anspruch auf Mindestlohn für studentisches Pflichtpraktikum

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Mit einer Entscheidung vom 19.01.2022 hat auch das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz bestätigt und festgehalten, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG verpflichtet ist.

Begründung des BAG:

Die Klägerin unterfalle nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes, da der Gesetzesbegründung deutlich zu entnehmen sei, dass nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen bereits als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind, von der Erfassung des gesetzlichen Mindestlohns ausgeschlossen seien. Dies gelte im Übrigen nicht nur für staatliche, sondern auch für private Universitäten. 

Bedeutung für die Praxis:

Dies bedeutet im Ergebnis, dass nicht nur Praktika, die während des Studiums absolviert werden, von der Regelung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ausgeschlossen sind, sondern auch Praktika, die schon vor der Aufnahme des Studiums als Zulassungsvoraussetzung vorgesehen sind. Diese Entscheidung ist sowohl für angehende Studenten als auch für Arbeitgeber interessant, die derartige Praktika anbieten.   

(vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 217/21; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. März 2021 – 8 Sa 206/20)

ACHTUNG

Warnung vor betrügerischen E-Mails