Auszeichnung Handelsblatt 2023

Im Anwälte-Ranking des Handelsblatts 2023 werden Herr Markus Tönjann und Herr Jens Niehl im Bereich Arbeitsrecht zum wiederholten Male als „Best Lawyers“ gelistet.

Kündigung wegen Beleidigungen in einer WhatsApp-Gruppe

ZDF Volle Kanne Talk mit Jens Niehl vom 29. August 2023

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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und Verjährung von Urlaubsansprüchen

Mit dem neuen Jahr treten diverse arbeitsrechtliche Änderungen in Kraft. Wir geben einen Überblick über die acht wichtigsten Anpassungen und Neuerungen.

1. Arbeitszeiterfassung: Muss mein Arbeitgeber meine Arbeitszeit erfassen?

Mit Urteil vom 13.09.2022 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Unternehmen gesetzlich verplichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer·innen zu erfassen. Die Kernaussage des BAG ist: Alle Arbeitgeber·innen müssen die Dauer der Arbeitszeit, die Pausenzeiten sowie die Überstunden aller Arbeitnehmer·innen erfassen. Genaue Vorgaben dazu, wie die Zeiterfassung umgesetzt werden soll, wurden bisher noch nicht getroffen.

Weil eine konkrete gesetzliche Regelung bislang fehlt, steht den Arbeitgebern aktuell ein Gestaltungsspielraum bei der Zeiterfassung zu. So können sie beispielsweise selbst entscheiden, ob diese elektronisch oder manuell erfolgen soll. Ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystem besteht nicht, ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung des Systems jedoch schon.

🚩 Persönliches To-Do? Keines!

2. Langzeiterkrankt: Verfallen meine Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit?

Bisher galt: Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit verfällt der Urlaubsanspruch 15 Monate nach dem Jahr, in dem eine Person erkrankt ist.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Regelung im Grundsatz bestätigt, aber erklärt, dass Unternehmen eine sogenannte Mitwirkungs- und Hinweispflicht haben. Wenn die Arbeitnehmer·innen im Urlaubsjahr gearbeitet haben, bevor sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig oder voll erwerbsgemindert geworden sind, verfällt der Urlaub nur dann, wenn der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin der Hinweispflicht rechtzeitig nachgekommen ist. Arbeitgeber müssen Arbeitnehmenden also vor Ausfall ermöglichen, den Urlaub auch tatsächlich nehmen zu können.

🚩 Persönliches To-Do? Keines!

3. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Brauche ich den gelben Zettel, wenn ich krank bin?

Arbeitnehmende sind weiterhin verpflichtet, die Arbeitgeber·innen über ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Die Pflicht zur Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfällt jedoch. Die gelben Zettel gehören damit der Vergangenheit an.

Ab Januar 2023 werden die gesetzlichen Krankenkassen stattdessen durch die Ärzte elektronisch über die Arbeitsunfähigkeitszeiten informiert. Die Krankenkassen stellen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen elektronisch bereit, sodass die Arbeitgeber·innen diese Daten nach entsprechender Mitteilung durch die Arbeitnehmer·innen, abrufen können. Es gibt allerdings eine Übergangsfrist für Arzt-Praxen, die über die entsprechende Technik noch nicht verfügen.

🚩 Persönliches To-Do? Wie schon davor besteht die Pflicht weiter, den Arbeitgeber unverzüglich über eine Krankheit zu informieren. In manchen Arztpraxen, die noch nicht digital umgestellt haben, können nach wie vor die gelben Zettel ausgegeben werden, denn es besteht eine Übergangszeit.

4. Freiwillige Inflationsausgleichsprämie: Habe ich einen Anspruch auf 3.000 Euro?

Unternehmen können ihren Mitarbeiter·innen im Zeitraum zwischen dem 26. Oktober 2022 und dem 31. Dezember 2024 eine sogenannte Inflationsausgleichsprämie von maximal 3.000 Euro steuer- und sozialabgabenfrei auszahlen. Wichtig: Die Inflationsausgleichsprämie ist eine freiwillige Leistung der Unternehmen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Die Zahlung muss über die Vergütungspflicht hinaus gehen. Es dürfen also nicht etwa Bonus- oder Weihnachtsgeldzahlungen einbehalten und stattdessen eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt werden.

🚩 Persönliches To-Do? Keines, denn die Unternehmen veranlassen diese Zahlung.

5. Was passiert mit meinem Urlaubsanspruch, wenn ich in Quarantäne muss?

Grundsätzlich gilt: Wer im Urlaub erkrankt, dem werden die Tage, an denen Urlaub und Krankheit zusammenfallen, nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Gilt das auch, wenn Arbeitnehmer·innen während der Urlaubszeit nicht erkrankten, sich aber in einer angeordneten Quarantäne befanden? Generell scheint das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, die eine nicht durch Krankheit hervorgerufene Beeinträchtigungen der Urlaubszeit ablehnt. Das würde für mögliche Fälle bis zum 16.09.2022 bedeuten, dass der Urlaubsanspruch mit einer Quarantäne untergeht.

Für Fälle seit dem 17.9.2022 steht fest, dass Quarantäne-Tage nicht vom Urlaub abgezogen werden.

🚩 Persönliches To-Do? Im Falle einer Quarantäne muss diese beim Arbeitgeber gemeldet werden, damit die Urlaubstage nicht verfallen.

6. Nachweisgesetz: Welche Informationen gehören in meinen Arbeitsvertrag?

Das neue Nachweisgesetz vom 1. August 2022 erweitert und ergänzt den Katalog der nachzuweisenden Vertragsbedingungen. Ziel des Gesetzes ist, dass Arbeitnehmer·innen über alle wesentlichen Inhalte des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche Information erhalten. Unter anderen kommen nun folgende Punkte hinzu:

  • Enddatum oder Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses
  • Dauer der Probezeit
  • Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts inklusive der Überstundenvergütung

Auch neu sind Informationspflichten zum Kündigungsschutzverfahren. Sie umfassen neben dem einzuhaltenden Verfahren zudem:

  • Kündigungsfristen
  • Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage
  • Hinweis auf das Schriftformerfordernis

Neu ist auch, dass für die Erbringung der einzelnen Nachweisinhalte unterschiedliche Fristen festgehalten sind und Verstöße gegen das Gesetz mit einem Bußgeld geahndet werden können.

🚩 Persönliches To-Do? Verträge gegenlesen und gegebenfalls Änderungen verlangen.

7. Hinweisgeberschutzgesetz: Wie werden Whistleblower geschützt?

Am 16. Dezember 2022 hat der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet. Sobald der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt hat, wird dieses vermutlich im Frühjahr 2023 in Kraft treten. Grundlage für die Regelung ist die EU-Whistleblowerrichtlinie, also der Schutz derjenigen Personen, die Missstände im eigenen Unternehmen wahrnehmen und melden können. Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist es, Meldungen in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter·innen anonym zu ermöglichen, ohne dass Hinweisgeber·innen mit Nachteilen rechnen müssen. Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeiter·innen sind von dem Hinweisgeberschutzgesetz nicht betroffen.

Zur Erfüllung des Gesetzeszweckes wird es eine Beweislastumkehr geben. Das bedeutet, dass Arbeitgeber·innen bei nachteiligen Maßnahmen gegenüber Hinweisgebern beweisen müssen, dass diese nicht wegen dem gegebenen Hinweis ergriffen wurden, sondern einen anderen Grund haben.

🚩 Persönliches To-Do? Keines, Arbeitgeber·innen sind hier in der Pflicht.

8. Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz: Was müssen Unternehmen über ihre Zulieferer wissen?

Zum Jahresbeginn ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft getreten. Dieses verpflichtet in Deutschland ansässige Unternehmen, alle unmittelbaren Zulieferer auf die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten zu überprüfen und zu dokumentieren. Bei Verstößen drohen Sanktionen und Bußgelder. Das Gesetz gilt zunächst für große Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten. Ab dem 1. Januar 2024 sind Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten betroffen.

🚩 Persönliches To-Do? Keines, es gehört zu den Aufgaben des Unternehmens für die Erfassung entsprechende Systeme einzurichten.

Annahmeverzugslohn und Kündigung

Positive Entwicklung für Arbeitgeber und gleichzeitig „Falle“ für Arbeitnehmer?

Laut den aktuellsten Zahlen des statistischen Bundesamts, die sich auf das Jahr 2020 beziehen, enden etwa zwei Drittel der arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten mit einem Vergleich. Das hat zumeist gute Gründe: Viele Arbeitnehmer wehren sich gegen eine Kündigung durch eine Kündigungsschutzklage. Das Verfahren kann sich in die Länge ziehen, daraufhin steigen die Kosten, das schwebende Verfahren belastet die Planungssicherheit der Parteien und das Vertrauensverhältnis ist häufig sehr angespannt. Eine belastende Situation für beide Parteien.

Annahmeverzug – Risiko für den Arbeitgeber

Doch gerade für den Arbeitgeber birgt die Kündigungsschutzklage finanzielle Risiken. Zum einen ist da der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer, der der sozialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer Rechnung trägt und für die Wirksamkeit einer Kündigung hohe Anforderungen aufstellt. Zum anderen ist da der drohende „Annahmeverzugslohn“: Durch die Kündigung bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr anzunehmen. Stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Kündigung unwirksam war, besteht das Arbeitsverhältnis fort und der Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Nachzahlung der Vergütung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung des Gerichtes geltend machen, obwohl er nicht gearbeitet hat. Dieser kann sich je nach Länge des Verfahrens auf mehrere Monats- oder sogar Jahresgehälter erstrecken. Doch besteht der Lohnanspruch immer und in voller Höhe?

Anrechnungspflicht des Arbeitnehmers

Nein! Der drohende Annahmeverzugslohn in Höhe mehrerer Monatsgehälter, dessen Abwendung viele Arbeitgeber zur Vergleichsbereitschaft inklusive hoher Abfindungszahlungen motiviert, hat Grenzen. Der Arbeitnehmer muss sich nämlich anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat, oder durch andere Arbeit hätte verdienen können. Auch Sozialleistungen sind anzurechnen. Doch wie findet der Arbeitgeber heraus, ob überhaupt etwas anzurechnen ist?

Informationsanspruch des Arbeitgebers

Bereits in seiner Entscheidung vom 27. Mai 2020 (Az.: 5 AZR 387/19) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechte der Arbeitgeber gestärkt. Hier wurde dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegt, den Arbeitgeber über die Jobangebote der Arbeitsagentur und über seine Bemühungen, eine neue Arbeitsstelle zu finden, zu informieren. Der Arbeitgeber habe keinerlei andere Möglichkeit, auf legalem Weg Informationen über die Anrechnungspflicht des Arbeitnehmers und die Höhe des anzurechnenden Betrags zu erhalten. Deswegen sei der Informationsanspruch gerechtfertigt, so das BAG.

Bewerbungen als „Vollzeitjob“

Noch weiter geht eine aktuelle und bemerkenswerte Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Berlin-Brandenburg vom 30. September 2022 (Az.: 20 Ca 3918/20). Auch hier konnte der Arbeitgeber seinen Informationsanspruch durchsetzen und stellte dadurch fest, dass der Arbeitnehmer durch die Arbeitsagentur zahlreiche zumutbare Vermittlungsangebote erhalten hatte, sich jedoch hierauf nicht, oder nur unzureichend beworben hatte.

Das LAG stellte hierzu fest, dass der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses beschäftigungslos und daher zu Bewerbungsbemühungen verpflichtet sei, die „dem zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle“ entsprechen. Er müsse sogar bei potenziellen Arbeitgebern nachhaken, wenn er auf seine Bewerbung keine Antwort erhalten habe. Das Gericht ging umfangreich auf die Qualität und Ernsthaftigkeit der Bewerbungen des Arbeitnehmers ein, die es ebenfalls als unzureichend bewertete. Aus diesen Gründen versagte das Gericht dem Arbeitnehmer jeglichen Annahmeverzugslohn.

Fazit

Es sei dahingestellt, ob gekündigte Arbeitnehmer – überspitzt gesagt – 40 Stunden in der Woche Bewerbungsbemühungen anstellen müssen. Viele Arbeitnehmer hoffen auf einen erfolgreichen Kündigungsschutzprozess und haben keineswegs mit Ihrer alten Arbeitsstelle abgeschlossen. Die Meinung des LAG Berlin-Brandenburg geht sehr weit und es bleibt abzuwarten, ob die aufgestellten Grundsätze zu Lasten der Arbeitnehmer von anderen Gerichten geteilt werden. Gleichwohl können sich Arbeitnehmer künftig nicht darauf verlassen, nach einem erfolgreichen Kündigungsschutzprozess Annahmeverzugslohn in voller Höhe zu erhalten, sondern sollten sorgfältig ihre anderweitigen Berufsaussichten prüfen und die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung erwägen. Die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung wird zweifellos aus Arbeitgebersicht begrüßt. Bei der Entscheidung über die Vorgehensweise im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens sind die Entscheidungen des BAG und des LAG Berlin-Brandenburg in jedem Fall zu berücksichtigen. Das gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen.

Elektronische Arbeitsunfähigkeits­bescheinigung

ZDF Volle Kanne Talk mit Jens Niehl vom 09. Januar 2023

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Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung

ZDF Volle Kanne Talk mit Jens Niehl vom 08. Dezember 2022

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Energiesparen am Arbeitsplatz

ZDF Volle Kanne Talk mit Jens Niehl vom 14. Oktober 2022

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Heimleitung darf ungeimpfte Pflegekräfte freistellen

Zwei ungeimpfte Pfleger wurden von der Arbeit im Seniorenheim freigestellt und klagten dagegen. Nun hat das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 11.08.2022 – 5 SaGa 728/22) bestätigt, dass die Freistellung rechtmäßig war. Danach müssen Seniorenheime ihr Pflegepersonal, das nicht gegen Corona geimpft ist, nicht weiter beschäftigen.

Zum Hintergrund: Impfpflicht für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich

Seit dem 15. März 2022 gilt im Pflege- und Gesundheitsbereich eine einrichtungsbezogene Impfpflicht nach § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG), wonach Beschäftigte über einen Impfnachweis gegen das SARS-CoV-2-Virus oder einen aktuellen Genesenennachweis verfügen müssen. Seitdem dürfen Pflegekräfte, die keinen entsprechenden Nachweis vorzeigen können, nicht mehr neu eingestellt werden.

Dieses unmittelbare Beschäftigungsverbot gilt jedoch nicht gleichermaßen für bereits zuvor beschäftigte Personen. Konnten diese bis zum 15. März 2022 keinen Impf- oder Genesenennachweis vorweisen, hatte die Einrichtungsleitung den Fall zunächst dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden, welches dann ein Beschäftigungsverbot aussprechen konnte.

Heimleitung stellt ungeimpfte Pfleger frei

In diesem Fall hatte die Betriebsleiterin eines Seniorenheims zwei ungeimpfte Pfleger ohne behördliches Beschäftigungsverbot ab dem 16. März 2022 von der Arbeit freigestellt. Auch die Bezahlung stellte sie ein.

Das Seniorenheim stützte sich auf die Regelungen in § 20a IfSG. Hiergegen hatten die Pfleger im Eilverfahren vor dem Arbeitsgericht Gießen geklagt. Sie verlangten zunächst weiter beschäftigt zu werden. Das Gericht wies die Klagen mit Urteilen vom 12. April 2022 ab.

Hinweis: Das Arbeitsverhältnis bestand – soweit ersichtlich – formal weiter. Zu einer Kündigung kam es nicht. 

Ungeimpfte Pfleger haben keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung

Auch in der nächsten Instanz hatten die Pfleger keinen Erfolg.

Das LAG bestätigte, dass die Freistellung gerechtfertigt sei und die Pfleger keinen Anspruch darauf hätten, weiter im Seniorenheim beschäftigt zu werden. Obwohl § 20a IfSG für bestehende Arbeitsverhältnisse kein unmittelbares Beschäftigungsverbot vorsehe, wirke der Impfnachweis wie eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung. Folglich habe die Heimleitung nach Abwägung der Interessen die beiden Arbeitnehmer freistellen dürfen: Für die Mitarbeiter spreche zwar das Interesse, arbeiten gehen zu dürfen. Der Arbeitgeber könne seine Mitarbeiter nicht einfach ausschließen. Allerdings überwiege das Interesse der besonders gefährdeten Bewohner des Seniorenheims, vor einer Infektion geschützt zu werden.

Mit dem Urteil sind beide Eilverfahren rechtskräftig beendet. Die Hauptverfahren wurden noch nicht entschieden.

Ausblick: Lohnfortzahlung während der Freistellung?

Die für beide Parteien interessante Frage, ob das Arbeitsentgelt für die Dauer der Freistellung fortzuzahlen ist, war hier nicht zu entscheiden. Da das Gericht die Impfung als eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung versteht, könnte zumindest bei impfunwilligen Mitarbeitern angenommen werden, dass sie ihre Arbeitsleistung nicht wie geschuldet erbringen. Dann würde ihr Anspruch auf Bezahlung bei einer Freistellung nicht fortbestehen.

Eine abschließende Bewertung der Entscheidung ist erst möglich, wenn die Begründung veröffentlicht und das Verfahren in der Hauptsache abgeschlossen ist.

Das neue Nachweisgesetz: Änderungen und Handlungsbedarf der Arbeitgeber

Zum 1. August 2022 tritt das neue Nachweisgesetz in Kraft. Das Gesetz musste angepasst werden, um den Anforderungen der EU-Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen gerecht zu werden. In der bisherigen Fassung waren die Vorschriften nicht sehr praxisrelevant. Die Änderungen fordern die Arbeitgeber jetzt allerdings zum Handeln auf.

1. Die bisherige Rechtslage

Bisher verpflichtete das Nachweisgesetz den Arbeitgeber, seinen Mitarbeitern innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses einen schriftlichen Nachweis über die wichtigsten Vertragsbedingungen auszuhändigen.

Wesentliche Punkte waren solche, die gewöhnlicherweise auch Gegenstand des Arbeitsvertrags sind: Vertragsparteien, Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort und -zeit, Tätigkeit, Vergütung sowie Urlaubsdauer und Kündigungsfristen.

Dementsprechend erfüllten die meisten Arbeitgeber die Pflichten des Nachweisgesetzes, indem sie schlicht den Arbeitsvertrag aushändigten

2. Was ändert sich durch das neue Gesetz?

Das neue Nachweisgesetz erweitert und ergänzt den Katalog der mitzuteilenden Vertragsbedingungen. Unter anderen kommen nun folgende Punkte hinzu:

  • Enddatum oder Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses
  • Dauer der Probezeit
  • Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts inklusive der Überstundenvergütung, Zuschläge, Zulagen und Prämien sowie etwaiger Sonderzahlungen
  • Ruhepause, Ruhezeiten, ggf. Erklärung des Schichtsystems und Bestimmungen.

Darüber hinaus wird die Unterrichtungspflicht auch um Ausführungen zur Altersvorsorge, zu Fortbildungen, Überstunden und Auslandstätigkeiten erweitert.

Auch neu sind Informationspflichten zum Kündigungsschutzverfahren. Sie umfassen neben dem einzuhaltenden Verfahren auch die Kündigungsfristen und die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage. Zudem hat mindestens ein Hinweis auf das Schriftformerfordernis zu erfolgen. Gerade hier ist auf präzise Formulierungen zu achten.

Formal ist wichtig, dass die strenge Schriftform gilt. Nötig ist also zumindest eine Unterschrift des Arbeitgebers. Der Nachweis darf in Deutschland auch nicht in elektronischer Form erbracht werden, obwohl die europäische Richtlinie dies ausdrücklich zuließe. Das führt faktisch dazu, dass Arbeitsverträge nur noch schriftlich abgeschlossen werden.

Außerdem verkürzt sich die bisher einmonatige Frist für die Vorlage der Informationen für wesentliche Inhalte des Vertrages deutlich. Bei neuen Arbeitsverträgen muss das Unternehmen spätestens am ersten Arbeitstag über Namen und Anschrift der Vertragsparteien, die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts, die vereinbarte Arbeitszeit und die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, den Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen informieren. Innerhalb von sieben Tagen müssen weitere Informationen über den Beginn des Arbeitsverhältnisses, ggf. zur Befristung, zur Dauer einer eventuell vereinbarten Probezeit, zum Arbeitsort, zur Tätigkeitsbeschreibung und zur Möglichkeit der Anordnung von Überstunden erteilt werden. Die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Satz 2 Nachweisgesetz muss spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden. Dazu zählen beispielsweise die Dauer des Urlaubs, das Verfahren bezüglich des Ausspruchs der Kündigung und die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage sowie eine Information zu den gegebenenfalls geltenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.

3. Handlungsbedarf der Arbeitgeber – Was sollten Arbeitgeber jetzt tun?

Die Änderungen werden sowohl für neue als auch schon bestehende Arbeitsverhältnisse relevant.

Musterarbeitsverträge können an die Anforderungen angepasst werden, indem sie durch die weiteren erforderlichen Informationen ergänzt werden.

Altverträge, die vor dem 1. August 2022 geschlossen wurden, sollen zwar nicht nachträglich angepasst werden, jedoch müssen die Arbeitgeber auf Verlangen innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich übergeben. Wegen dieser kurzen Frist empfiehlt es sich, für einen solchen Fall eine entsprechende Vorlage vorzubereiten, die den Anforderungen des neuen Nachweisgesetzes genügt.

4. Welche Rechtsfolgen hat ein Verstoß?

Bisher konnten die Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber lediglich dazu auffordern, die versäumte Nachweispflicht nachzuholen. Jetzt stellt ein Verstoß eine Ordnungswidrigkeit dar. Dem Arbeitgeber droht ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro pro Verstoß. Die Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses bleibt davon aber weiterhin unberührt.

Mindestlohn und Minijobs

Volle Kanne Talk mit Jens Niehl vom 30.09.2022

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ACHTUNG

Warnung vor betrügerischen E-Mails